Welches Potenzial haben Führungsleitlinien wirklich?
In unserer alltäglichen Arbeit beschäftigen wir uns mit der Arbeitszufriedenheit. Es ist nicht überraschend, dass das Verhältnis zur Führungskraft dabei eine besondere Rolle spielt. Dieses Verhältnis wird von mehreren Faktoren geprägt. Einen davon bilden die Führungsleitlinien. Hier können Standards gesetzt und Vertrauen geschaffen werden.
Leider stellen wir in unseren Projekten allzu häufig fest, dass dieses Potential nicht ausgeschöpft oder gar nicht genutzt wird.
Dieser Beitrag dient dazu, ein Grundverständnis des Konzepts „Führungsleitlinien“ zu geben und eine Inspiration für die erfolgreiche Umsetzung in deiner Organisation zu bieten.
Was sind Führungsleitlinien?
Doch fangen wir am Anfang an. Was verstehen wir unter Führungsleitlinien?
Sie bestehen zumeist aus einer Liste mit Verhaltensgrundsätzen für den Umgang zwischen Verantwortungs- und Leitungsebenen.
Diese werden oft als Stichworte oder kurze Sätze in Führungskräftebriefings, auf der Homepage oder auch im Eingangsbereichs der Organisation präsentiert. Das Ziel ist ein einheitlicher und transparenter Führungsstil über alle Hierarchieebenen und Bereiche hinweg.
Fragen wir unsere Kunden/innen, ob es in ihrer Organisation ein entsprechendes Leitbild gibt, so ist die häufigste Antwort – begleitet von einem leicht beschämten Blick nach unten: „Ja, aber das wurde schon vor vielen Jahren entwickelt und ist überhaupt nicht mehr aktuell.“ Die Frage, ob denn die abgebildeten Führungsgrundsätze in der Organisation auch gelebt werden, können wir uns dann in der Regel direkt sparen.
Ein wichtiger Faktor für die Wirksamkeit der Grundsätze ist folglich die Aktualität.
Welchen Nutzen haben Führungsleitlinien?
Bei diesem Thema geht um das „Wie“. Führungsleitlinien, -prinzipien und ähnliche Konzepte bieten Mitarbeitenden und Führungskräften hauptsächlich Orientierung im Umgang miteinander. Obwohl Führung immer einen hohen individuellen Anteil hat, da jedes Team und jede Person einzigartig sind, kann so eine gemeinsame Grundlage geschaffen werden.
Für eine Person in einer leitenden Position geben sie Klarheit über angemessenes Verhalten auf moralischer, professioneller und persönlicher Ebene. Gleichzeitig ist den Mitarbeitenden bekannt, welche Art von Verhalten und Kommunikation sie erwarten können. Auch für bestehende und potenzielle Kunden kann es nicht nur interessant, sondern auch ausschlaggebend sein, wie miteinander umgegangen wird.
Neben dem Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit sämtlicher Organisationsmitglieder werden auch der Charakter und die Werte einer Organisation widergespiegelt, welche in der VUCA-Welt und für die Kundengewinnung relevant sind. Folglich haben Führungsleitlinien einen bedeutenden Einfluss auf den gesamten wirtschaftlichen Erfolg.
In der Realität sind die – als Orientierungshilfe für Führungskräfte geplanten – Leitbilder oft schon kurz nach der euphorischen Veröffentlichung von der nächsten Management- und Führungsmode überholt.
Zudem trägt die mangelnde Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitenden der unteren Ebenen nicht unbedingt zu einer Akzeptanz der Leitbilder in der Breite der Organisation bei: Solche Ergebnisse teurer Offsite-Meetings des Managements werden grundsätzlich mit besonders kritischen Augen betrachtet.
Ein Beispiel für erfolgreiche Führungsleitlinien
Eine der vielleicht bedeutendsten Studien zu diesem Thema wurde von Google durchgeführt. Dort fragte man sich, welches Führungsverhalten den stärksten Zusammenhang mit dem Teamerfolg hat. 2008 begann die Forschung und wurde stetig fortgeführt. (Dies ist ein kleiner Hinweis auf die Variabilität der gesamten Thematik Führung. Starre Konzepte vom letzten Jahrzehnt können damals brillant gewesen sein, nur sind sie heute leider nicht mehr anwendbar.)
Letztendlich entwickelte Google so 10 Führungsgrundsätze, die einen signifikanten Zusammenhang mit der Effektivität, der Arbeitszufriedenheit, der Fluktuation und der Arbeitsleistung aufzeigen.
Es ist nett einer neuen Führungskraft einen Zettel mit den Führungsprinzipien auszuhändigen. Erfahrungsgemäß fristen viele dieser Schriftstücke jedoch eine trostlose Existenz in den Tiefen der Schreibtischschubladen oder verstauben im goldenen Rahmen an den Wänden der Konferenzräume.
Um das Potential auszunutzen, sollten regelmäßige Trainings, Coachings, Besprechungen und Befragungen angeboten und durchgeführt werden. Gut durchdachte, gelebte und aktuelle Führungsgrundsätze haben folglich eine hohe Relevanz für den gesamten Unternehmenserfolg. Für Google zum Beispiel sind folgende 10 „Oxygen Behaviors“ die wichtigsten Führungsleitlinien für erfolgreiche Manager.
- Ein guter Coach sein
- Das Team bestärken (Empowerment) statt Mikromanagement
- Ein integratives Umfeld schaffen, sich um den Erfolg und das Wohlbefinden kümmern
- Produktiv und ergebnisorientiert arbeiten
- Gute und klare Kommunikation (zuhören und Informationen teilen)
- Die Karriere der Mitarbeitenden unterstützen und deren Leistungen besprechen
- Eine klare Vision/Strategie für das Team haben
- (Technische) Kernkompetenzen beherrschen, um das Team zu unterstützen/beraten
- Zusammenarbeit über das gesamte Unternehmen hinweg
- Klare Entscheidungen fällen
Informationen zur Google-Studie findest Du hier.
Wie finde ich die besten Führungsleitlinien?
Verschiedene Strategien können zur Entwicklung der Führungsprinzipien angewendet werden. Hierbei kann es Vorteile haben, den gesamten Prozess oder einzelne Schritte durch externe Experten begleiten zu lassen. Hier findest Du wichtige Hinweise, die Du unbedingt berücksichtigen solltest, und ein System zur Auswahl der passenden Prinzipien.
Das Thema Werte
Werte helfen zu entscheiden, ob ein Verhalten ethisch oder unethisch ist. Auf Führungsverhalten bezogen bedeutet dies eine Orientierung für angemessenes Verhalten und den Kommunikationsstil. Dies beinhaltet unter anderem:
- Die Führung von Mitarbeitergesprächen
- Den Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen
- Das Delegieren von Aufgaben
- Die Entscheidungsfindung (im Team)
- Den Umgang miteinander im Arbeitsalltag
- Wie man sich morgens grüßt
- …
Jeder hat seine eigenen Grundwerte, empfindet, bewertet und handelt anhand dieser. Werte sind also gewissermaßen Leitlinien in unserem Leben. Auch Führungsleitlinien basieren auf Werten. Sie sollten im Einklang mit den Unternehmensgrundsätzen und dem jeweils persönlichen Wertesystem der Führungskraft stehen. Bereits im Recruitingprozess kann festgestellt werden, ob eine Person zur Organisation passt. Das Thema Werte kann schon im Bewerbungsgespräch angerissen werden.
Schwerpunkte setzen
Zu berücksichtigen ist, dass Themen, die in den Führungsleitlinien auftauchen, mehr Aufmerksamkeit erhalten und wahrscheinlich mit mehr Ressourcen verfolgt werden. Zum Beispiel legt der Grundsatz „Gib dein Bestes“ einen ganz anderen Fokus als die Grundsätze „Wertschätzung“ oder „Gesundheit“. Allgemein können sich Führungsleitlinien auf drei Hauptbereiche beziehen:
- Die Persönlichkeit der Führungskraft (Bspw. Gesundheit, Durchsetzungsfähigkeit, Authentizität)
- Die Interaktion und Beziehungen (Bspw. Wertschätzung, Vertrauen, Hilfsbereitschaft)
- Die Handlungen, bzw. die Arbeit selbst (Bspw. Gib dein Bestes, Struktur, Transparenz).
Werte können nicht immer einem Bereich klar zugeordnet werden, doch in den meisten Führungsleitlinien finden sich – wie diese Studie zeigt – Werte aus allen drei Bereichen wieder.
Entwicklung von Führungsleitlinien: Vorbereitung
Erfahrungsgemäß greifen Maßnahmen, die mit der Belegschaft entwickelt wurden, sehr viel besser als bloße Anordnungen der oberen Führungsebene. Natürlich steigert die Einbindung vieler den Aufwand der Entwicklung, jedoch steigt die langfristige Erfolgswahrscheinlichkeit dabei umso mehr. Allzu oft werden Führungsleitlinien zu leeren Worten, weil sie nie bei der Belegschaft ankommen oder nicht angemessen sind. Am Ende sind die Mitarbeitenden eben doch die Experten.
Um auf die Studie von Google zurückzukommen: Erfolgreiche Führungskräfte sind nicht die mit dem meisten Fachwissen, sondern mit den besten zwischenmenschlichen Fähigkeiten. Nicht umsonst ist ein Grundsatz bei ihnen „Kernkompetenzen“ und nicht „Spezielles Fachwissen“. Google selbst war überrascht, dass die technischen Fähigkeiten nur eine untergeordnete Rolle für den Führungserfolg spielen.
Wenn schon viele in den Prozess mit einbezogen werden, sollte auch sichergestellt werden, dass alle verstehen, wozu der ganze Spaß gut ist. Für das Commitment bei der späteren Umsetzung ist es immens wichtig, dass alle Beteiligten aktiv mitarbeiten. Hierzu ist es notwendig das „Warum“ und den gewählten Prozess zu erklären. So wird aus einer weiteren Pflichtveranstaltung ein erfolgreiches Projekt mit langfristigem Mehrwert für alle.
Entwicklung von Führungsleitlinien: Grobe Auswahl
Die meisten Menschen können sich eine Anzahl von 5 bis 9 gut merken. Somit werden ca. 7 Leitlinien als angenehm und umsetzbar empfunden. Diese Zahl kann als Orientierung genutzt werden, es ist aber auch völlig okay, wenn es 3 oder 10 werden.
Zunächst sollte eine Sammlung möglicher Werte erstellt werden. Beispielsweise können ein Brainstorming oder eine einfache Befragung mit anschließendem Clustern genutzt werden. Einige Begriffe werden häufiger auftauchen als andere und so kann eine Liste von 10 bis 15 Optionen erstellt werden. Wichtig ist hier schon ein einheitliches Verständnis, was mit welchem Grundsatz genau gemeint ist.
Entwicklung von Führungsleitlinien: finale Zusammenstellung
Die meiste Arbeit ist nun schon erledig. Jetzt geht es darum, aus der groben Auswahl die wirklich wichtigen Führungsleitlinien für Deine Organisation zu finden. Ein einfaches System zur Ermittlung der für Deine Organisation wichtigsten Führungsleitlinien ist ein direkter 1:1-Vergleich.
Dies funktioniert wie folgt: Alle Werte werden in einer Liste untereinander geschrieben. Oben angefangen wird der erste Wert nun mit dem zweiten verglichen. Der wichtigere Wert bekommt dann einen Strich. Danach wird der erste Wert mit dem dritten verglichen und es wird wieder ein Strich beim wichtigeren gesetzt. Dies wird bis zum Ende der Liste so fortgeführt. Ist der erste Wert abgearbeitet, wird das gleiche Vorgehen für den zweiten Wert angewendet (zweiter vs. dritter Wert, zweiter vs. vierter Wert, usw.). Am Ende werden einige Prinzipien viele und andere wenig Striche haben. So ist erkennbar, was wirklich von Bedeutung ist.
Je nachdem wie viele Personen bei der Entwicklung beteiligt sind, bietet es sich mehr oder weniger an jeden Grundsatz zu diskutieren und/oder darüber abzustimmen. Um hier lange Diskussionen zu vermeiden, wurde im vorherigen Schritt bereits klar definiert, was womit gemeint ist. Eine genaue Beschreibung des Prozesses findest Du hier.
Entwicklung von Führungsleitlinien: Implementierung
Um die Umsetzung direkt erfahrbar und verständlich zu machen, können in einem weiteren Schritt mit den Führungskräften Beispielszenarien entwickelt werden.
Diese können ausgedacht sein, noch wirksamer sind jedoch wirklich erlebte Szenen. So können Beispiele für die erfolgreiche Anwendung gefunden werden. Hier darf auch mit Negativbeispielen gearbeitet werden, um aus vergangen schwierigen Situationen zu lernen.
Ebenso lassen sich dann auch Dilemmasituationen betrachten. Gibt es Konstellationen, in denen sich Grundsätze widersprechen oder einfach nicht anwendbar sind? Wenn ja, ist es wichtig jetzt schon eine Lösungsstrategie zu entwickeln, damit keine Führungskraft sich mit einer Liste nicht umsetzbarer Erwartungen allein gelassen fühlt?
Langfristige Wirksamkeit
Nach der aufwändigen Erstellung der Führungsleitlinien kommt es darauf an, diese auch im Arbeitsalltag zu verfestigen.
Ein erster Schritt ist die Reflexion der Führungskräfte selbst. Diese sollten in regelmäßigen Abständen dazu angehalten werden, ihr Projekt, ihr Team und ihre Führung zu reflektieren. Hierbei können die Führungsleitlinien als eine Art Checkliste verwendet werden. Zusätzlich können zu jedem Grundsatz zwei Beispiel gesucht werden: Eines, bei dem der Grundsatz erfolgreich umgesetzt wurde, um sich bewusst zu machen, welchen Mehrwert der Grundsatz wirklich bietet, und ggf. ein weiteres Beispiel für eine Situation, in der der Grundsatz zukünftig noch besser angewendet werden kann.
Für eine weiterreichende Reflexion können Kolleg/innen, Vorgesetzte und besonders die eigenen Mitarbeitenden auf ähnliche Weise nach einem Feedback befragt werden. Ebenso können Herausforderungen oder sogar Krisen dazu genutzt werden, um die Aktualität, die Anwendbarkeit und den Mehrwert der Führungsgrundsätze zu überprüfen. All dies trägt dazu bei, die Führungsleitlinien in den Köpfen der gesamten Belegschaft präsent zu halten.
Zusätzlich bieten Mitarbeitergespräche, Führungskräfte-Feedbacks und Mitarbeiterbefragungen Gelegenheit die Führungsleitlinien zu testen und ggf. zu überarbeiten. Externe Dienstleister bringen oft Expertise und Erfahrung mit, um die Führungsleitlinien zu einem vollen Erfolg auf ganzer Linie zu machen.
Fazit
Letztendlich lässt sich sagen, dass Führungsleitlinien vielversprechend sind und richtig angewendet einen bedeutenden Einfluss auf alle in einer Organisation bieten. Auch wenn der Aufwand zu Beginn nicht gering ist, lohnt es sich langfristig. Halbherzige Ansätze kann man sich hingegen sparen, denn diese bieten keinen Mehrwert.
Hier ist noch einmal anzumerken, dass es sich um Leitlinien und nicht um ein Regelwerk handelt. Bei der Vielfalt an Menschen und Situationen in einer Organisation sind auch die individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Wie sieht es mit den Führungsleitlinien in Deiner Organisation aus? Leere Worte oder erfolgreiches Konzept? Finde es jetzt mit unserem Führungskräfte-Feedback heraus!
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